Tod und Trauer in der Tierarztpraxis - Kommunikation mit trauernden Tierhaltern und Selbstschutz bei emotionaler Arbeit
- Tod und Trauer in der Tierarztpraxis
- Tiermedizinische Fachangestellte und Tierärzte – Aufmerksam bleiben
- Signale richtig deuten
- Selbstschutz bei emotionaler Arbeit - Wohin mit den Tränen?
- Emotionale Belastung - Negative Auswirkungen auf die Gesundheit
- Selbstschutz – Authentisches Mitgefühl durch Tiefhandeln
- Selbstschutz - Techniken der Emotionsarbeit
- Grenzen der Emotionsarbeit
- Gefühlskälte Selbstschutz – Distanz zu eigenen Gefühlen
- Schutz - ABC
- Fortbildungen TFA – Fortbildungsangebot
- Fortbildungen TFA – Schulungen vor Ort
Tod und Trauer in der Tierarztpraxis
Die Einschläferung eines Haustieres stellt das gesamte Praxisteam vor höchste Anforderungen. Die Tiermedizinische Fachangestellte nimmt bei der Euthanasie eine wichtige Schlüsselrolle ein. Besonders der Umgang mit trauernden Tierhaltern ist eine große emotionale Belastung und fachliche Herausforderung. Irrelevant beim Empfinden von Trauer sind für den Tierhalter dabei sowohl die Art des Tieres als auch die Dauer des Besitzes. Das bedeutet, dass ein Tierhalter über den Verlust einer gerade aus dem Tierheim geretteten Farbratte genauso trauern kann, wie über die Einschläferung seines 15-jährigen Labradors. Die Aufgabe des Tierarztes ist es, das gesellschaftliche Unverständnis auszugleichen. Das angemessene, empathische Verhalten des gesamten Praxisteams ist sehr entscheidend zum Gelingen der Trauerbewältigung bei Tierhaltern. Aber auch der Selbstschutz bei dieser anspruchsvollen Aufgabe ist elementar, um negative Auswirkungen auf das eigene Gemüt zu vermeiden oder diese aktiv anzugehen.
- „Ich weiß genau, wie Sie sich fühlen.“ Das stimmt nicht. Man kann zwar Traurigkeit nachempfinden, vielleicht auch aus eigener Erfahrung, jedoch wird man nie wissen, was genau in einem Menschen vorgeht, welche Gedanken sich gerade in dem Kopf des Gegenübers abspielen. Dosiert eingesetzt kann es den Trauernden helfen, wenn Sie von eigenen Erfahrunge berichten. Halten Sie dabei jedoch Ihre Emotionen unter Kontrolle. Gemeinsam trauern ist in dieser Situation nicht angebracht. Eine Situation, in der die Trauernden Ihnen beistehen möchten, ist unbedingt zu vermeiden
- „Nun ist er / sie im Himmel.“ Da Sie nicht wissen können, welche Vorstellung ein Tierhalter von dem Danach hat, sollte man derartige Sprüche zur Trauer und die eigene Meinung diesbezüglich für sich behalten. Es besteht die Gefahr, dass Sie Ihre fachliche Kompetenz bei diesem Tierhalter verlieren oder zumindest ankratzen. Lassen Sie daher religiöse Ansichten und Vorstellungen außen vor.
- „Er / Sie ist auch wirklich schon alt.“ Grundsätzlich ist Alter erst einmal keine Krankheit. Festgelegte Lebenserwartungen für unterschiedliche Tierarten und Rassen machen zwar durchaus Sinn, helfen dem Tierhalter in seiner Trauer aber nicht weiter. In der Trauer spielt es keine Rolle, ob die Katze schon 23 Jahre alt ist oder der Hund mit 13 Jahren erlöst werden muss. Aufmunternde Worte bei Trauer können beispielsweise ein freundliches Lob sein, dass das Tier nur aufgrund von guter Pflege so ein Alter erreichen konnte.
- „Sie müssen jetzt stark sein.“ Ganz im Gegenteil: Trauer soll durchlebt werden. Schmerzen müssen manifestiert werden, um den Verlust zu verschmerzen. Hat der Tierhalter ein weiteres Tier, kann es hilfreich sein, Sätze wie „Er / Sie braucht sie jetzt, sie können sich gemeinsam Halt geben.“ zu sagen.
- „Es tut mir leid.“ Mitleidbekundungen sind gut und richtig. Zu sagen, dass es einem Leid tut, kann aber auch einen irreleitenden Effekt haben und als Schuldeingeständnis verstanden werden. Tiermedizinische Fachangestellte und Tierärzte müssen achtsam sein. Der Tierhalter kann dies eventuell ausnutzen, um die Praxis als Sündenbock für den Tod seines Tieres zu wählen. Drücken Sie Ihr Mitgefühl lieber durch kleine Gesten aus.
Tiermedizinische Fachangestellte und Tierärzte – Aufmerksam bleiben
Die Gewissheit, dass Sie immer den richtigen Ton und die richtigen Worte finden, gibt es nicht. Oft sind wenige Worte aber auch mehr. Hören Sie dem Tierhalter aufmerksam zu und bestätigen Sie ihn durch Wiederholungen, zum Beispiel:
Tierhalter: „Er hat das alles so tapfer durchgestanden und nie gezeigt, wenn er Schmerzen hatte.“
Tierarzt: „Ja, er war wirklich ein Kämpfer.“ Ganz nach der Redewendung „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ sollte vor allem das Aushalten der Stille ertragen werden. Man spricht dabei vom „achtsamen Schweigen“, da man seinem Gegenüber zuhört und seine Emotionen wahrnimmt, und trotzdem auf die Wirkung der Stille vertraut. Auch bei Tierhaltern, die ihre Trauer durch Wut äußern, ein wahres Wundermittel: Durch Schweigen wird man zum Blitzableiter des Gesprächs, sodass sein Gegenüber seinen Unmut loswerden kann und danach Platz für Trauer ist.
Zeigen Sie Empathie durch kleine Gesten, wie dem Anbieten von Taschentüchern oder einem Stuhl zum Hinsetzen. Halten Sie Blickkontakt und bleiben Sie in der Körpersprache auf einer Ebene mit ihrem Tierhalter: Wenn er steht, stehen Sie auch, wenn er sitzt, beugen Sie sich zu ihm herunter. Auch wenn niemand die Körpersprache eines anderen Menschen ganz genau entschlüsseln kann, gibt sie einige Anhaltspunkte, die im Rahmen einer Euthanasie bei der Betreuung der Tierhalter helfen kann.
Signale richtig deuten
- Tierhalter schließen die Augen länger als normal = Eine abwehrende Geste – kann Missfallen, Besorgnis oder Betroffenheit signalisieren, den Tatsachen nicht ins Auge blicken wollen
- Tierhalter blinzeln häufiger = Anzeichen für Stress oder Nervosität – wenn zeitgleich nach oben gesehen wird, kann es sein, dass Tränen zurückgehalten werden sollen
- Tierhalter zeigen ein Zucken unter dem Auge = Hinweis auf Stress, Sorgen, Zweifel oder gar Angst – dieses Signal kann im Gegensatz zu anderen Signalen nicht aktiv gesteuert werden
- Tierhalter lecken sich die Lippen = Eine Beruhigungsgeste – die erwachsene Variante vom Daumenlutschen
- Tierhalter berühren oder bedecken den Hals = Kann tiefe Sorge oder großen Stress anzeigen – beides dient der Beruhigung. Bei Frauen wird das auch mit Spielen an der Halskette, bei Männern mit dem Richten von Kragen oder Krawatte erreicht
- Tierhalter drehen sich vom Behandlungstisch ab = Diese Geste gibt es in unterschiedlicher Ausführung. Wenn sich die Füße Richtung Ausgang drehen, kann es sein, dass die Tierhalter eine „Flucht“ aus der Situation vorbereiten. Wenn sich der Oberkörper wegdreht, möchte der Tierhalter womöglich Abstand zur Situation gewinnen
Selbstschutz bei emotionaler Arbeit - Wohin mit den Tränen?
Jeder Kunde verlangt eine lächelnde Tiermedizinischen Fachangestellt mit positiver Ausstrahlung und guter Laune. Auch wenn die innere Emotionslage eine völlig andere ist, da beispielsweise eine 12-Stunden-Schicht hinter der Person liegt oder es private Probleme gibt. Man nennt dies Oberflächenhandeln, da die Tiermedizinische Fachangestellte den Gefühlsausdruck nur der erwarteten Norm anpasst, ohne ihn wirklich so zu empfinden.
Emotionale Belastung - Negative Auswirkungen auf die Gesundheit
Die Dissonanzerfahrung zwischen Ausdruck und Gefühl sorgt dafür, dass Emotionsarbeit sich auf Dauer schädlich auf die eigene Psyche auswirkt. Die Spannung und Differenz zwischen dem was Sie tatsächlich fühlen und dem, was sie fühlen sollen, geht somit zu Lasten Ihrer Gesundheit. Hinzu kommt, dass gerade bei der Trauerarbeit das Oberflächenhandeln aufgesetzt wirkt und ein Tierhalter schnell durchschaut, dass man emotional nicht bei ihm ist. Kleine Veränderungen in der Mimik oder in der Körperhaltung verraten die gespielten Emotionen sofort.
Selbstschutz – Authentisches Mitgefühl durch Tiefhandeln
In Extremsituationen, wie dem Einschläfern eines Tieres, wird zum Tiefenhandeln geraten. Hierbei ist die Richtung umgekehrt: Man versucht, ein bestimmtes Gefühl in sich hervorzurufen und verhält sich dementsprechend authentisch – weil man es wirklich fühlt, auch wenn die Situation vor dem geistigen Auge vielleicht eine andere ist. Wenn Sie tatsächlich empfinden, was Sie nach außen hin zeigen müssen, befinden Sie sich nicht in einem widersprüchlichen Zustand, Ihr Körper macht also keine Dissonanzerfahrung. Auf Dauer ist diese Art von Mitgefühl wesentlich gesünder für Ihre eigene Psyche, denn es ist viel schwieriger und unbequemer, den ganzen Tag eine Maske zu tragen. Dahinter steht auch die Annahme, dass es einem Menschen nur schwer möglich ist, über einen längeren Zeitraum andere Gefühle auszudrücken als er empfindet, sodass er danach strebt, eine Übereinstimmung dieser Gefühle zu erzeugen. Ist dies nicht möglich, empfindet der Mensch automatisch Stress und emotionale Belastung. Das Tiefenhandeln kann also dabei helfen, das Stresslevel zu reduzieren. Es bedarf dafür bestimmte kognitiver Fähigkeiten, mit denen passende Gefühle erzeugt werden können.
Selbstschutz - Techniken der Emotionsarbeit
Die folgenden Techniken der Emotionsarbeit helfen, die erforderlichen Leistungen in der Trauerarbeit als Tiermedizinische Fachangestellte zu bewältigen. Sie dienen zusätzlich der Stressreduktion und der Konfliktvermeidung im Team und mit dem Tierhalter.
- Entspannung - Tiefes Durchatmen vor einem Gespräch mit einem schwierigen Tierhalter, in dem man negative Gefühle erwartet, bewirkt innere Ruhe und Gelassenheit. Aber auch im Anschluss an das Gespräch hilft bewusstes Atmen, die entstandenen, negativen Gefühle wieder zu beseitigen und sich zu beruhigen.
- Konzentration - Man muss sich auf seine Aufgabe und das gewünschte Ziel konzentrieren. Haben Sie die Bedürfnisse Ihres Tierhalters immer vor Augen und lassen Sie sich in der Situation nicht ablenken damit keine unerwünschten Regungen entstehen.
- Stanislawski-Methode - Rufen Sie vor Ihrem inneren Auge Bilder und Vorstellungen hervor, die Sie mit einem bestimmten, in dieser Situation geforderten Gefühl verbinden. Die Gefühlserinnerungen helfen, in der aktuellen Situation das passende Gefühl zu erzeugen und es authentisch rüberzubringen.
Grenzen der Emotionsarbeit
Jedoch hat auch Emotionsarbeit in dieser Form ihre Grenzen. Bei einer Arbeit unter permanentem Druck besteht die Gefahr einer emotionalen Erschöpfung. Gerade bei hohen emotionalen Investitionen, wie während einer Euthanasie, besteht langfristig die Gefahr eines Burnouts.
Gefühlskälte Selbstschutz – Distanz zu eigenen Gefühlen
Zynismus und Burnout liegen oft nah beieinander. Hierbei ist Zynismus als erste Vorstufe zu sehen, wenn der eigene Idealismus und das eigene Engagement keinen Widerhall finden und sich Resignation breit macht. Anfangs mag Zynismus vielleicht noch als eine Art Selbstschutz fungieren, beginnt man aber, dauerhaft eine emotionale Distanz zu allen Ereignissen, auch zu einem schönen Film oder einem süßen Katzenbaby, zu haben und alles zynisch zu kommentieren, verliert man den Bezug zu seinen eigenen Gefühlen. Scheinbare Gleichgültigkeit als Selbstschutz oder Selbstschutz durch erzwungene Gefühlskälte schaden der Persönlichkeit.
Schutz - ABC
Um auf Dauer mit Emotionsarbeit umgehen zu können, benötigt man neben den speziellen Techniken auch Abwehrmechanismen zum Selbstschutz, die keine emotionale Belastung zur Folge haben. Folgende Punkte sollten Sie beachten und persönlich umsetzen:
A – Achtsamkeit
Achten Sie auf sich selbst und auf Ihre Gefühle. Kennen Sie Ihre Grenzen und wahren Sie Ihre Ressourcen, um gesund zu leben. Richten Sie die Hälfte Ihrer Aufmerksamkeit auf sich selbst und Ihren eigenen Körper, um die eigene Ausgeglichenheit zu bewahren.
B – Balance
Ausgeglichenheit und Balance zwischen Arbeit, Freizeit und Ruhe ist wichtig und nötig. Eine Balance zwischen beruflichem Leben und vielfältigen privaten und persönlichen Aktivitäten, die als eine Art Krafttankstelle genutzt werden, sollte geschaffen werden.
C – Connection
Hier ist die Verbindung mit der Natur, dem Leben als Solches und mit anderen Menschen gemeint. Verwirklichen Sie sich mit Ihrer Arbeit, entwickeln und befriedigen Sie persönliche Bedürfnisse, auch auf spiritueller Ebene.
Außerdem: Reden hilft! Das klingt simpel, ist aber die erste und wichtigste Bewältigungsstrategie bei emotionaler Belastung. Bei der Behandlungsassistenz während einer Euthanasie und beim Umgang mit trauernden Tierhaltern ist es vor allem wichtig, den Tod als Bestandteil des Lebens zu akzeptieren. Das Thema Tod sollte nicht verschwiegen werden, denn nur so nimmt man ihm die Bedrohung. Ein Sprichwort sagt:
„Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.“: Gemeint ist damit der körpereigene Selbstschutz, negative Emotionen akzeptieren zu können. Hilfreich ist dieser Mechanismus insofern, als das schlechte Erfahrungen, aufgestaute Wut und negative Emotionen, die nicht mehr zu ändern sind, akzeptiert und damit vergessen werden.
Fortbildungen TFA – Fortbildungsangebot
Fortbildungen für tiermedizinische Fachangestellte (TFA) zu den Themen Selbstschutz bei emotionaler Arbeit, Umgang mit dem trauernden Tierhalter, Möglichkeiten der Tierbestattung und richtiger Zeitpunkt für die Euthanasie werden über die ROSENGARTEN-Fortbildungen angeboten und vom Verband medizinischer Fachberufe mit mindestens 5 Fortbildungspunkten bewertet.
Fortbildungen TFA – Schulungen vor Ort
Wenn nicht nur Sie, sondern Ihr gesamtes Praxisteam den Schulungsbedarf im Umgang mit trauernden Tierhaltern sieht oder oftmals Tierhalter nach der Einschläferung ihres Tieres begleiten muss, dann können Sie an den Fortbildungsveranstaltungen der ROSENGARTEN-Fortbildungen teilnehmen. Diese Fortbildungen können entweder in Ihren Praxisräumen stattfinden oder die Räumlichkeiten werden von uns bereitgestellt. Mehr Informationen unter: www.rosengarten-fortbildungen.de
Mehr zur Vorbereitung, Begleitung und Nachsorge bei einer Euthanasie finden Sie im Praxisleitfaden von Svenja und Emanuel Holle: Tod und Trauer in der Kleintierpraxis. Euthanasie kompetent begleiten. (Schlütersche 2019, ISBN 978-3-89993-977-4)
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